Auszug aus dem Empfehlungspapier der Bundesinitiative Sturzprävention
Die Auswirkungen des demografischen Wandels in Deutschland sind
vielfältig und bereits heute deutlich spürbar. Wir werden in den
nächsten Jahren und Jahrzehnten mit Veränderungen konfrontiert werden,
die unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen stellt.
Die
durchschnittliche Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Bei Frauen
liegt sie derzeit bei etwa 82 Jahren, bei Männern bei ca. 77 Jahren
(Statistisches Bundesamt 2009). Die steigende Lebenserwartung eröffnet
viele Chancen, sie bringt aber auch einige Probleme mit sich.
Eines
dieser Probleme, dessen Ausmaß in den nächsten Jahren weiterhin steigen
wird, ist die Tatsache, dass immer mehr ältere Menschen in Deutschland
immer häufiger stürzen.
Stürze sind ein gesellschaftliches Problem
Derzeit ereignen
sich in Deutschland jedes Jahr zwischen vier und fünf Millionen
unbeabsichtigte Stürze von älteren Menschen. 200 000 bis 250 000
Menschen erleiden dabei pro Jahr einen Knochenbruch und werden aufgrund
dessen ins Krankenhaus eingewiesen.
Die Anzahl der sturzbedingten
Hüftfrakturen hat von 1995 bis 2004 um insgesamt 20 000 Fälle pro Jahr
zugenommen. Dabei hat die Anzahl der Hüftfrakturen bei gestürzten
Menschen, die älter als 75 Jahre sind, sogar stärker zugenommen als dies
allein durch den demografischen Wandel zu erklären ist
Stürze und sturzbedingte Verletzungen gehören derzeit zu den
häufigsten Ereignissen, die zu Hause lebende ältere Menschen in ihrer
Selbstständigkeit bedrohen. Nach einem Sturz werden die Betroffenen
häufig in ein Pflegeheim eingewiesen, auch wenn keine Fraktur
aufgetreten ist.
Die körperlichen und psychischen Folgen eines Sturzes
sind für den einzelnen alten Menschen oft dramatisch und führen zu
einschneidenden Veränderungen. Viele Betroffene entwickeln große Angst,
erneut zu stürzen. Sie ziehen sich zurück, bewegen sich kaum noch,
wodurch das Sturzrisiko erneut steigt. Am Ende dieser Negativentwicklung
stehen leider sehr häufig der Verlust der Alltagskompetenz und die
daraus folgende Pflegebedürftigkeit. Zusammengefasst kann man sagen: In
vielen Fällen ist das Leben nach einem Sturz nicht mehr dasselbe wie
davor, Stürze bedeuten oftmals ein psychisches und physisches Trauma.
Die häufigen Stürze alter Menschen verursachen hohe Kosten. Die
Kosten der Operationen der durch Stürze verursachten Frakturen, die
anschließende Rehabilitation der Betroffenen und die häufig aus einem
Sturz resultierende Pflegebedürftigkeit der gestürzten älteren Menschen
wird von Experten bundesweit auf mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Die Sturzursachen sind in großen Studien wissenschaftlich untersucht
worden. Die Ergebnisse sind hinsichtlich der wichtigsten Risikofaktoren
eindeutig: Es liegt v. a. an der nachlassenden
Gleichgewichtsfähigkeit und an zu schwacher Muskelkraft, dass ältere
Menschen so häufig hinfallen. Das bedeutet aber auch, dass ältere
Menschen, die regelmäßig ein wirksames körperliches Trainingsprogramm,
bestehend aus Gleichgewichts- und Krafttraining, absolvieren, das Risiko
zu stürzen deutlich reduzieren können.
Seit 2003 ist es gelungen, sturzpräventive Maßnahmen in deutschen
Pflegeheimen zu etablieren. Mehr als 2000 Heime beteiligen sich aktiv an
den Programmen. Neue Zahlen der AOK Bayern zeigen, dass es im Jahr 2007
gelungen ist, in den 256 Heimen, die 2007 erstmals mit sturzpräventiven
Maßnahmen begonnen haben, einen Rückgang der Hüftfrakturen von fast 20 %
zu erzielen.
Sturzprävention für zu Hause lebende Menschen
Es ist bisher in
Deutschland nicht gelungen, vergleichbare Programme für ältere Menschen,
die zu Hause leben, zu verbreiten, obwohl zahlreiche wissenschaftliche
Studien die Wirksamkeit ambulanter Sturzpräventionsprogramme belegen.
Dies erscheint von großer Bedeutung, da die Mehrzahl älterer Menschen
nach wie vor zu Hause lebt und dieser Wunsch auch zukünftig die
Präferenz der meisten älteren Menschen darstellt. Hieraus ergibt sich
die Notwendigkeit, im ambulanten Bereich zu handeln.
Allerdings sollten
hier nur wissensbasierte und qualitätsgesicherte Interventionen
implementiert (und finanziert) werden. Außerdem sollte bedacht werden,
welche Maßnahmen die größten Effekte im Hinblick auf die eingesetzten
Ressourcen erbringen können.
Schließlich erscheint es unerlässlich, die
Mindestanforderungen an Fort- und Weiterbildung zu definieren, um zu
vermeiden, dass unzureichend qualifizierte Personen ambulante
Sturzpräventionsangebote offerieren.
Quelle:
https://www.thieme-connect.com/ejournals/abstract/10.1055/s-0030-1247369
JÖRG LINDER AKTIV-TRAINING
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